OZ: „Musikalisch rennt uns nichts weg“ |
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Am 24.04.2020 erschienen in der "Odenwälder Zeitung" - www.wnoz.de WALD-MICHELBACH. „Alles Mist“ ist die erste Reaktion von Hans-Joachim Karl, wenn es um die Corona-Auswirkungen auf das musikalische Leben in der Region geht. Natürlich geht die Gesundheit vor, betont der Dirigent von drei Chören: dem MGV Sängerbund Unter-Schönmattenwag, dem MGV Union Wald-Michelbach und dem Sängerbund Oberflockenbach. „Musikalisch rennt uns nichts weg“, erklärt er. Auf einem anderen Blatt steht aber die Chorgemeinschaft. „Die Gruppe muss zusammenbleiben“, erklärt Karl. Seine drei Chöre setzen verschiedene Ideen um, um in Zeiten der sozialen Distanz miteinander in Kontakt zu bleiben. Beim MGV Union wird per Videochat telefoniert. „Wir haben in den vergangenen Wochen alles ausprobiert, was auf dem Markt ist“, sagt er schmunzelnd. Die Oberflockenbacher veranstalten eine Hitparade. Jeder darf sich einen Musiktitel wünschen, der dann auch – für alle vor dem Schirm – gespielt wird. Eine Idee des dortigen Mit-Chorleiters Alexander Schmidt macht im Sängerkreis die Runde: Für ein Kochevent kauft jeder Teilnehmer die gleichen Zutaten, wählt sich in den Videochat ein und dann wird am Herd losgelegt – unterschiedliche Ergebnisse vorprogrammiert. Die Union in Wald-Michelbach wiederum verbindet eine langjährige Freundschaft mit dem „Coro Arnica“ aus Laveno-Mombello in der Lombardei, einer von Corona besonders heimgesuchten Region. Mit den italienischen Freunden vom Lago Maggiore möchte HaJo Karl ein ganz besonderes Projekt verwirklichen: Jeder, auf deutscher wie auch lombardischer Seite, singt zuhause vor dem Computer ein italienisches Lied ein. Dann wird es von Julius Rückert zu einem großen Männerchor-Stück zusammengefügt. Es gab zwar auch den Versuch, dass alle gemeinsam einsam loslegen, „aber das funktionierte technisch nicht“, erklärt er. Übungsstücke auf CD„Mir fehlt das wöchentliche Miteinander“, geht es Karl wie den Kollegen auch. Aktuell ist er zwar beruflich durch Meetings eingespannt, aber sobald es die Freizeit zulässt, will er Übungsstücke einsingen, um sie den Sängern an die Hand zu geben. Entweder als CD in den Briefkasten oder gleich elektronisch per E-Mail – wie es eben heutzutage möglich ist. „Wenn wir wieder loslegen können, wird das dann nicht bei null sein“, hofft er auf das häusliche Engagement der Chormitglieder. Karl hat sich schon Gedanken gemacht, wie ein Neustart aussehen könnte. Eine Chorprobe in kleinen Gruppen könnte funktionieren. Dann würden an einem Abend zwar nicht alle zusammenkommen, aber abwechselnd alle zwei bis drei Wochen immer ein paar. „Dann fallen die Chöre nicht auseinander“, hofft der Dirigent. Bevor Corona kam, „hatten wir verschiedene Themen vor der Brust“. Wenn es nicht gerade ein Jubiläumskonzert wie in Schönmattenwag war, dann wurden die Dinge nur verschoben, aber nicht abgesagt. Etwa das Nordlichter-Projekt der Union. Karl ist bei diesem schon ziemlich mit dem Einsingen der Übungs-CD durch. Es werden jeweils ein klassischer Song und ein Popstück aus einem Land aufgeführt. Aus Finnland zum Beispiel „Sunrise Avenue“ und ein Volkslied. Der Sängerbund Oberflockenbach hatte eine Konzertreise nach Innsbruck geplant. Auch diese soll nachgeholt werden, wenn wieder Reisefreiheit herrscht. Der MGV Unter-Schönmattenwag wollte Anfang Juni mit einem großen Konzert sein 145-jähriges Bestehen feiern. Da dieses aber nicht stattfinden darf, überlegt der Dirigent zusammen mit dem Vorsitzenden Christian Jöst einen besonderen Ersatz. „Lassen den Kopf nicht hängen“Wenn es klappt, dann würden unter Beachtung der entsprechenden Vorschriften vom Chor oder ein paar Mitgliedern einige Lieder eingesungen. Die könnten dann per CD im Ort verteilt werden. Oder über einen Bekannten des Chorleiters per Online-Radiosendung die Bürger erreichen. E-Mail oder Facebook-Stream sind weitere Möglichkeiten. „Das Jubiläum soll in Erinnerung bleiben“, wünscht sich Karl. Seine Zielrichtung ist klar: „Wir lassen den Kopf nicht hängen.“ Viel schlimmer, als nicht auftreten oder proben zu können, „wäre, dass ein Mitglied krank wird“, macht der Dirigent klar. „Es gibt derzeit Wichtigeres“, nämlich die Gesundheit, betont er. Da müssen Chorproben und Auftritte eine gewisse Zeit zurückstehen. tom |